Vorgängerbau:
Zwei Tonnengewölbe des Kellers, in unterschiedlicher Entfernung zur Burgstraße (nördlicher 10m rückversetzt) und unterschiedlicher Bauart (versch. Alter) verweisen auf ehemals zwei Flurstücke hier – jeweils ca. 6m breit und damit entsprechend der ursprünglichen Losgröße der Stadtanlage der Marktstadt. Teile von Vorgängerbauten sind auch in den Giebelwänden des Vorderhauses und in Wänden der Hofbebauung erhalten.
Nachdem eine ältere Bebauung bereits 1637 abgebrannt war, vergingen über einhundert Jahre, bevor der heute erlebbare Bau als weitgehender Neubau nach 1744 entstand.
Es begegnet uns hier ein äußerst repräsentativer Barockbau der Meißner Altstadt (weitere schöne Beispiele in der "Denkmalroute" Markt 10 + Fleischergasse 6).
Die Fassade zeigt den ".. derben Barock des beginnenden 18. Jh."(Gurlitt). Primäre Architekturgliederungen sind Mittelrisalit und Ecklisenen, die Ausbildung des Erdgeschosses als Sockelgeschoss sowie ein verkröpftes Traufsims. Dazu komponiert finden wir reichere, plastisch geschwungene Formen: Fensterverdachung und Sandsteinportal - dieses mit dem Kopf der Minerva. Die Minerva war die Göttin der Weisheit, der taktischen Kriegsführung, der Kunst und des Schiffbaus sowie Hüterin des Wissens; Beschützerin des Handwerks und des Gewerbes. Reiche Auswahl an Bezügen, vom Bauherrn gemeinte kennen wir noch nicht. Heute: Sitz des Gewerbevereins der Stadt Meißen.
Zum stimmigen Erscheinungsbild der Fassade gehören unbedingt die Kreuzzstockfenster mit ihrer 8-teiligen Gliederung, feinen Profilierung und geschnitzter Rosette sowie die typisch barocke, fein abgestufte Farbfassung. Die fein geschwungene Kartusche unter der Fensterverdachung im Stil des Rokoko (Steigerungsform des Barock) wurde anscheinend später appliziert (Gurlitt) und mit "A." bezeichnet.
Die mit großen Ladeneinbauten um 1900 versehene Erdgeschossfassade war ursprünglich mit kleineren Fensteröffnungen gegliedert.
Im Inneren des Hauses finden wir einen an vornehme Stadtpalais erinnernden Charakter in Hausstruktur und Ausstattung. Für den Eintretenden ist sie gekennzeichnet durch die große, mittig angelegte Durchfahrt zum Hofraum, eine für Meißner Verhältnisse großzügige Treppenanlage, hohe zweiflügelige Türen mit schönen Detailgestaltungen. Zur Straße hin bestimmen drei große Stuben je Etage und ein großer, saalartiger Raum im 1. OG hofseitig die ursprüngliche Raumstruktur. Mächtige barocke Kamine weisen auf die Beheizbarkeit all dieser Räume und deren hohen Wohnkomfort hin. Farbige Fassungen auf Wänden und Stuckdecken werden das Ambiente wesentlich geprägt haben. Befunde reicher Barockfassungen, wie wir sie aus restaurierten Herrenhäusern und Schlössern kennen, mit aufwändigen illusionistischen Raumgliederungen (wie strukturierten Sockeln, Marmorierungen, reich gestaltete Rocaille-Rahmungen) wurden auch in Meißen im Rahmen der Stadtsanierungen der 90iger Jahre gefunden. Sie zeugen von hohem Können der Künstler und Malermeister einerseits sowie vom ebenfalls hohen Anspruch ihrer Bewohner andererseits.
Die stuckierten Decken lassen große barocke Räume erkennen, die in den folgenden Jahrhunderten mit wachsender Zahl von Trennwänden zu immer kleineren, oft schlecht belichteten Räumen unterteilt wurden und die u.a. damit ihre ursprüngliche Attraktivität weitgehend verloren. Der Ausbau des Dachgeschosses - eine Zutat des beginnenden 19. Jahrhunderts - wurde in diesem Haus mit erstaunlich hoher architektonischer Qualität umgesetzt.
Sonstige geschichtliche Besonderheiten:
Die ältesten historischen Darstellungen der Stadt (Hiob Magdeburg 1558 + Stadtansicht 1601) zeigen die Ostseite der Burgstraße in geschlossener Bebauung im mittleren - unser Hausstelle betreffenden Teil - bereits mit traufständigen Häusern. (Burgstraße 28 nicht genau zuordenbar). Der 30-jährige Krieg, der besonders mit dem Einfall der Schweden im Juni 1637 große Zerstörungen in Meißen anrichtete, ließ auch dieses Gebäude als abgebranntes zurück. Clemens Haugkolts Erben waren die Besitzer. Das Haus war für 1400 Gld. gekauft worden, "..dargegen die Brandstelle etwa auf 300 Gld. zu aestimieren". Zum Haus gehörte zu der Zeit auch ein Garten.
Entwicklung bis zur Wende:
Eine Gaststätte mit Garten wurde in dem Wohnhaus ab 1882 betrieben und ist auch noch bis zum 2. Weltkrieg dort nachweisbar. Historische Bilder belegen den anspruchsvollen Namen.
Bis 1990 wurden Teile der ausgedehnten Räumlichkeiten genutzt, im EG befand sich ein Labor für Lebensmittelprüfung. Der 1991 dokumentierte Bauzustand zeigt eine provisorische Bahnendeckung auf dem Vorderhaus, jedoch hatte ein lange Zeit defektes Dach starke Nässeschäden verursacht, die oberen Wohnräume unbenutzbar gemacht und zu einem traurigen Zustand der barocken Stuckdecken, Türen und Wände geführt.
Entwicklung nach der Wende:
Das in Privateigentum befindliche Gebäude konnte in den 90iger Jahren vor dem endgültigen Verfall gerettet werden. Wesentliche Elemente des barocken Baues konnten erhalten bzw. wiederhergestellt werden. Äußerlich sichtbar sind davon u.a. die ehemalige Durchfahrt, deren neue Stuckdecke einen Hauch Barock vermittelt und die fein abgestufte Fassadenfarbigkeit, die den palaisartigen Charakter dieses besonderen Bürgerhauses in der Meißner Altstadt unterstreicht. Mithilfe des Stadtsanierungsprogrammes waren sorgfältige Bestandserfassung, denkmalpflegerische Begleitung und so die Erhaltung wesentlicher authentischer Zeugnisse unserer Baukultur möglich.