ArchitekTour

25 Baudenkmäler - Ein architektonischer Stadtbummel durch die Wiege Sachsens

Wir laden Sie herzlich ein zu einem architektonischen Stadtbummel durch die Wiege Sachsens.

Mittels häuserspezifischer QR Codes bieten sich faszinierende Einblicke in den Wiederaufbau Meißens als kulturhistorisches Kleinod - denn Meißen ist reich an wertvollen Zeugnissen deutscher Baukultur. Erfahren Sie dabei mehr über die Geschichte ausgewählter, kulturhistorisch besonders bedeutsamer Altstadthäuser, die durch das denkmalpflegerische Engagement von Bund & Land, aber auch privater Bauherren und Vereine in den letzten Jahren wieder zu neuem Leben erweckt werden konnten - oder noch immer darauf warten.

Burgstraße 18

Autor: Antje Hainz - Architekturbüro Hainz & Hainz Meißen

Wohlhabendes Bürgerhaus der Renaissance mit Ladenraum in barocker Überformung. Auf einem Vorgängerbau errichtet 1559, saniert ab 1988.
1984 straßenseitig verschönert, waren Hölzer und Mauerwerk noch immer schadhaft. Der Wohnkomfort entsprach dem 19. Jh. Bereits 1988 mit der Sanierung begonnen, gehörte es zu den ersten nach der Wende fertig sanierten Altstadthäusern. Die Raumstruktur der Renaissance wurde wiederhergestellt; Holzbalkendecken, Segmentbögen und Konsolsteine erhalten.

Weitere Informationen

Errichtet 1559 (dendrochronologische Datierung Dach und Decken 1558). Vorgängerbau im Keller östlich des Vorderhauses erhalten (heute darüber errichtete Weinstube).

Die Hausbreite mit ca. 6m zeigt noch die ursprüngliche Flurstücksbreite der frühen städtischen Besiedlung nur wenige Parallelen in der Stadt zu finden - u.a. auf der Denkmalroute: Markt 6). In der bauzeitlichen Dreigeschossigkeit gehört das Gebäude zu den höheren - den Bürgerhäusern der Renaissance - zumal die schmaleren Häuser in den Altstadtstraßen waren überwiegend zweigeschossig waren - also mit nur einem Obergeschoss ausgebildet.

Die Fassade des Renaissancebaues zeigt die typischen profilierten Sandsteingewände als Einfassung der Fenster. Im Erdgeschoß erschließt heute ein schlichtes Stichbogengewände mit barocker, handwerklich ausgeführter Tür das Haus. Bei Bauarbeiten gefunden: Fragmente eines Sitznischenportales, das im Bereich des heutigen Einganges zum Weinladen bestand und das zum ursprünglichen Renaissancebau gehört.

Im Inneren finden sich in beiden Geschossen profilierte Holzbalkendecken, die in der Renaissance stark farbig gefasst waren (Rekonstruktion im Ergebnis der restauratorischen Untersuchung: G. Preuß um 1991) die Profile der Balken und sogenannten Kriecher-Decker- Schalung sind - typisch für die Zeit - aus einem Wechsel von Kehle und Stab mit sogenannten Schiffskehlen an den Enden der Balken ausgebildet.

Während der Instandsetzung der 90iger Jahre konnten Fragmente einer Stabbohlenwand geborgen werden. Heute - am ursprünglichen Ort wiedererrichtet - bestimmt sie neben den Holzbalkendecken und für die Bauzeit typischen Bauelementen wie Segmentbögen und Konsolsteinen die Innenräume des sanierten und restaurierten Wohn- und Geschäftshauses.

Während in den oberen Geschossen weitgehend die Raumstruktur der Renaissance mit straßenseitiger Stube bzw. Kammern und rückseitiger Küche/ Rauchkammer sowie Diele und Treppe wiederhergestellt wurde, präsentiert sich im Erdgeschoss der heutige Ladenraum in barocker Überformung - die Putzdecke mit den fragmentarischen Stuckleisten war so um 1990 im Bestand und erhielt ihre farbliche Neufassung mit dem heiteren Himmel während der Instandsetzungen 1994.

Bei diesen Bauarbeiten wurde auch das Fußbodenniveau zurück verlegt auf das der Renaissance. Daran lässt sich gut ablesen, wie stark sich das Bodenniveau im Straßenraum - nachfolgend auch in den Häusern - im Laufe der Jahrhunderte veränderten - hier rund 50 cm seit der Erbauung 1559. Im Vergleich dazu liegt die erste Bohlenstraße, die am südlichen Ende der Burgstraße gefunden wurde, rund 3 m unter dem heutigen Niveau - sie ist jedoch auch bedeutend älter (Datierung 1109; [ Christl, Mpb 6/45]).

Nach dem Durchqueren des Ladenraumes schließt sich der recht enge Raum einer typischen Schwarzküche des Handwerkerhauses an - sichtbar an der geneigten Gewölbedecke. Über deren höchstem Punkt befand sich der Anschluss einer Steigesse die dort einen ca. 1,5m x 1,5 m großen Querschnitt aufwies und bei Bauforschungen am Beginn der 90iger Jahre entdeckt wurde. Im historischen Fußboden darunter konnte die Herdstelle der Schwarzküche nachgewiesen werden.

Sonstige geschichtliche Besonderheiten:
Die ältesten historischen Darstellungen der Stadt (Hiob Magdeburg 1558, Stadtansicht 1601) lassen einen Vorgängerbau östlich des Renaissancebaues und vor 1601 eine Baustelle vermuten.

Von den Kriegsschäden des 30-jährigen Krieges, bei denen besonders der Einfall der Schweden am 6. und 7. Juni 1637 mit großen Verwüstungen in der Stadt einherging, war das Haus weniger als andere betroffen, denn es zählte zu den bewohnbaren. Das Verzeichnis der Kriegsschäden verrät uns den damaligen Besitzer: Hans Thürmer, der es für rund 700 Gulden kaufte; der Eintrag endet auf "…mag itzo etwa 400 Gulden wert sein".

Bis zur Mitte des 19. Jh. gehörten zum Haus "zwei Biere" - d.h. zweimal im Jahr durfte der Eigentümer Bier brauen und ausschenken. Das Braurecht stand nicht allen Bürgerhäusern zu - es war ein Privileg, welches im Mittelalter dem Grund- oder Lehnsherrn zustand und zu einem frühen Zeitpunkt der Stadtentwicklung von ihm an die Stadt bzw. deren Bürger gegeben wurde.

In der Fläche des heutigen Gartens befanden sich bis um 1980 Seitengebäude und Hinterhaus mit hölzernem Laubengang um einen winzigen Hof. Es wird berichtet, dass dieser Hof in Ludwig Richters Zeichnung "das Schlachtfest" Verwendung fand.

Funde beim Bau waren u.a. auch Klosterformatziegel mit eingebrannten Sonnenreliefs (sogenannte Feierabendsteine, die das Tagewerk des Maurers kennzeichneten) und mit Katzenpfoten (zum Fernhalten böser Geister).

Entwicklung bis zur Wende:
In den Jahren um 1984 waren Dachdeckung und Fenster straßenseitig instandgesetzt worden - eine Maßnahme im Rahmen der "technologischen Linie Dach/Fassade", die das Gesicht einiger innerstädtischer Straßen verschönerte. Die Substanz des Hauses war jedoch an Hölzern und Mauerwerk sehr schadhaft und sein Wohnkomfort war auf dem Stand des frühen 19. Jh. stehen geblieben.

Bis ca. 1980 war das Vorderhaus durch drei Wohnungen und ein Ladengeschäft genutzt. Da die Möglichkeit des privaten Erwerbes von Häusern in den 80iger Jahren eröffnet wurde, konnten Bürger der DDR davon Gebrauch machen, deren Eigeninitiative und Vision ausreichten, sich ein wieder bewohnbares Haus vorzustellen. Unter Mithilfe von Gleichgesinnten und Freunden wurde das Vorhaben geplant und die schrittweise Umsetzung 1988 begonnen.

Entwicklung nach der Wende:
1990 - im Jahr der deutschen Wiedervereinigung und der Währungsumstellung - kam das Vorhaben zunächst fast zum Erliegen. Auf Grund sehr schnell eingeführter Unterstützungen durch Initiativen einzelner Länder und des Bundes boten sich Chancen zur Weiterführung des Baues. Zeitgemäße und dem Denkmal angemessene Materialien und Techniken konnten angewendet und das Haus so substanzschonend instandgesetzt werden.

Bauhistorische Untersuchungen und Dokumentationen, die zu dieser Zeit auch für die Meißner Bürgerhäuser in größerem Umfang möglich wurden, trugen wesentlich zu Erkenntnis und Erhaltung der kulturhistorischen Werte des Hauses bei. Zusammen mit wenigen anderen privaten Wohnhäusern gehörte es so zu den ersten, nach der Wende fertig sanierten, Altstadthäusern und war Ende 1992 wieder bewohnbar.